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Johann
Deutsch
28.10.1904
Loosdorf
10.05.1942
Chelmno
Tapezierer
Obere Hauptstraße 18, Wilhelmsburg
Zwangsumsiedlung nach Wien 1, Lazenhof 2/13; am 28. Oktober 1941 nach Reiter Str. 19/8, Lodz deportiert; am 9. Mai 1942 nach Chelmno überstellt
Jakob
Käthe
Grünwald


Steine der Erinnerung

deutsch

 

Die Familie Deutsch

Die auf den Steinen der Erinnerung verewigten Johann, Erna und Ignaz Deutsch waren drei der sieben Kinder von Jakob Deutsch, geboren am 4. Oktober 1864 in Strebersdorf. Mit seiner ersten Frau Käthe Katalin Therese Grünwald, geboren am 12. Juni 1876 in Schlaining, hatte er die vier Kinder Margarethe, Renné, Felix und Johann, alle in Loosdorf bei Melk geboren. Als Käthe mit nur 30 Jahren am 2. September 1906 starb, waren die Kleinen erst zwischen zwei und sechs Jahre alt.

Schon aus diesem Grund wird Jakob rasch wieder geheiratet haben. Mit der am 13. März 1876 in Wilhelmsburg geborenen Philippine aus der großen Familie Tichler kamen zwischen 1909 und 1911 in Loosdorf drei weitere Kinder zur Welt: Erna, Martha und Ignaz. Im März 1918 erwarb Jakob ein repräsentatives Haus in Wilhelmsburg, Obere Hauptstraße Nr. 18 (damals noch Wilhelmsburg Nr. 50). Nach Jakobs Tod am 18. Jänner 1938 – wie seine erste Frau Käthe ist er am St. Pöltner jüdischen Friedhof begraben – übernahm seine Witwe das Kaufmannsgeschäft und erbte das Haus und zwei Grundstücke.

Offensichtlich warf der Laden keinen großen Gewinn ab, denn nach dem „Anschluss“ im März 1938 sollte er nicht „arisiert“, sondern liquidiert werden. Der Liquidator Eduard Zottl verkaufte das Warenlager. Für die „Arisierung“ der Häuser bewarb sich der Mechaniker Paul Grüner, der jedoch aufgrund seines unseriösen Rufs von der NSDAP-Ortsgruppe Wilhelmsburg abgelehnt wurde. Philippine Deutsch benötigte den allfälligen Erlös aus dem Zwangsverkauf dringend für die Ausreise von Johann und Ignaz, wie sie am 31. Juli 1939 an die Vermögensverkehrsstelle schrieb: „Die Teilnahme zu diesem Transport meiner Söhne ist nur dann möglich, wenn für die Transportkosten von RM [Reichsmark] 2.000.- zeitgerecht aufgekommen wird. Ich richte an die V.V.St. die ergebene Bitte, die Verkaufsgenehmigung ehestens zu erteilen.“ Allerdings wurde der Brief von ihrer Tochter Erna unterzeichnet, da Philippine am 27. Juli 1939 die Flucht nach London gelang. Weitere Nachrichten über sie fehlen.

Am 22. April 1941 wurden Philippines Liegenschaften versteigert. Die Gemeinde Wilhelmsburg erhielt den Zuschlag und verkaufte sie an die NS-Volkswohlfahrt in Berlin weiter. Die Bezahlung eines Kaufpreises an die Familie ist nirgends erwähnt. 1950 erhielt die überlebende Tochter Martha Stern, vertreten durch Dr. Egon Morgenstern, der aus Palästina/Erez Israel nach St. Pölten zurückgekehrt war, den Besitz in Wilhelmsburg zurück. Ihr Halbbruder Felix, wohnhaft in Wien 8, war da bereits Verwalter der Häuser. Wo und wie er überlebt hatte, wissen wir nicht.

 

Johann, Margarethe, Renné und Felix

Der jüngste Sohn Johann, geboren am 28. Oktober 1904 in Loosdorf, arbeitete als Tapezierer und lebte im Haus der Familie. Er wurde drei Mal deportiert: Am 26. 10. 1939 wurde er mit 1.000 Wiener Juden nach Nisko am San geschickt, um dort für die Nationalsozialisten ein Konzentrationslager aufzubauen, allerdings wurde dieses nicht realisiert. Nach seiner Rückkehr musste er in das „Judenhaus“ in Wien 1, Lazenhof 2/13 ziehen, von dem 91 Menschen in den Tod geschickt wurden. Am 28. Oktober 1941, seinem 37. Geburtstag, wurde er in das überfüllte Ghetto Lodz (Litzmannstadt) deportiert und von dort am 9. Mai 1942 als einer von 952 von den NS-Gesetzen als Juden Kategorisierten – darunter 260 Getaufte – in das Vernichtungslager Chelmno (Kulmhof) überstellt. Einen Tag später wurden alle in den Gaskammern ermordet.

Seine älteste Schwester Margarethe, verheiratete Beran, geboren am 15. Mai 1900, von Beruf Pflegerin, lebte mit ihrer Familie in Wien 13, ihr Mann Max starb 1941 noch in Wien. Am 1. Oktober 1942 wurde sie mit ihrer 18-jährigen Tochter Alice nach Theresienstadt und in einem der letzten Züge am 9. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert. Beide haben den mörderischen Transport nicht überlebt. Da ihre letzte freiwillige Wohnadresse in Wien ist, erhalten sie in Wilhelmsburg keinen Stein der Erinnerung.

Ihre Geschwister Renné, geboren am 16. September 1901, und Felix, am 18. April 1903 geboren, sind 1931 in Leipzig bzw. in Wien nachweisbar. In ihrer Vermögensanmeldung vom 14. Juli 1938 erwähnt Philippine Deutsch noch „meine sieben Kinder“. Während Felix 1951 im Rückstellungsbescheid als Verwalter der Häuser erwähnt wird, fehlt von Renné jede Nachricht. Sie konnte bisher auch auf keiner Opferliste gefunden werden.

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