Steine der Erinnerung


Benedikt und Aurelia Aranka Süss
„... weil es unter den gegebenen Verhältnissen sehr unwahrscheinlich ist, dass ich noch längere Zeit bei der Kultusgemeinde St. Pölten beschäftigt sein werde.“
Benedikt Süss wurde am 21. Mai 1881 in St. Pölten geboren, seine Eltern Karl und Johanna stammten aus Lackenbach, einer der orthodoxen jüdischen Gemeinden im damaligen Westungarn. Aurelia Aranka Weiss, geboren am 5. Jänner 1885 in Neutra/Nitra, war seine zweite Frau. Als „Tempelaufseher“, also als Synagogendiener, war er unter anderem für die Vorbereitung der Gottesdienste und Zeremonien verantwortlich. Religiös bestens ausgebildet, fungierte er auch als Kantor, als Vorsänger. Schon sein Vater war, noch in
der alten Synagoge, Tempeldiener gewesen. Die Familie wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, von elf Kindern erreichten nur sechs das Erwachsenenalter. Drei Brüdern und zwei Schwestern gelang rechtzeitig die Flucht.
Benedikts einziges Kind Egon stammte aus der ersten Ehe mit Elsa, geb. Biss, die im Juli 1931 verstorben war. Egon Süss trat 1936 der Kommunistischen Partei bei, schloss sich im Februar 1937 im Spanischen Bürgerkrieg den Internationalen Brigaden an und kämpfte als Leutnant der XI. Brigade im 2. Bataillon Hans Beimler. Er fiel am 1. August 1938 in Gandesa.
Etwa zur selben Zeit, im Juli 1938, füllte sein Vater das vorgeschriebene „Verzeichnis über das Vermögen von Juden“ aus und gab, wie sichtlich gefordert, seine zu erwartenden Einkünfte mit dem neunfachen Wert des Jahreseinkommens an. Dazu erklärte er: „Der Wert ist zwar mit dem neunfachen Jahreswerte angegeben, ist aber in Wirklichkeit bedeutend niederer, weil es unter den gegebenen Verhältnissen sehr unwahrscheinlich ist, dass ich noch längere Zeit bei der Kultusgemeinde St. Pölten beschäftigt sein werde.“
Das Ehepaar musste zuerst innerhalb St. Pöltens in die Herrengasse 3 umziehen, am 3. Mai 1940 meldete es sich in Wien 2, Schmelzgasse 7/15, einer Sammelwohnung, an. Am 15. Februar 1941 wurden die beiden in das Ghetto Opole bei Lublin in Polen deportiert. Auch die im selben Haus lebenden Wilhelm und Franziska Weiss – ob Wilhelm und Aurelia verwandt waren, ist nicht bekannt – sowie die St. Pöltner Sigmund und Berta Stern und Rudolf und Emma Kohn befanden sich in diesem Transport. Die wenigen erhaltenen Briefe von Mitinhaftierten beschreiben bittere Kälte, katastrophale sanitäre Zustände, quälenden Hunger und Typhus. Benedikt und Aurelia Süss haben Opole nicht überlebt.
Aus: Steine der Erinnerung in St. Pölten I/2018, S.50-52, Hg.: Institut für jüdische Geschichte Österreichs, zu bestellen unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! um 8 € zzgl. Porto
Bilder: Foto von Bernadette Dewald