Steine der Erinnerung
Anton Penizek
„Da die gegenständliche Liegenschaft für mich die Existenz bedeutet und ich allenfalls Gefahr laufe, den Platz zu verlieren, wenn ein anderer Bildhauer die Liegenschaft im Arisierungsweg erstehen würde, habe ich mich bemüht, das nötige Kapital aufzubringen, um meine Existenz zu sichern.“ (Rudolf Prochaska im Schreiben seines Anwalts Dr. Georg Budik an die Landeshauptmannschaft in Niederdonau, St. Pölten, 12. 4. 1940)
Bei der „gegenständlichen Liegenschaft“, um die sich der St. Pöltner Bildhauer Rudolf Prochaska so sehr bemühte, handelte es sich um ein Grundstück mit Werkstätte in der St. Pöltner Goldeggerstraße 26 im Besitz von Anton Penizek, der kurz darauf, am 7. 5. 1940, an eine unbekannte Adresse nach Wien zwangsübersiedeln musste. Anton Penizek, am 30. 8. 1874 in Mühlhausen (Milevsko, Böhmen) als Sohn von Alois Eliezer und Elisabeth Eliska, geb. Kramer, geboren, hatte noch sieben Geschwister. Die große Kinderzahl und die hebräischen und jiddischen Namen lassen auf eine traditionelle religiöse Familie schließen. In St. Pölten führte er ein Geschäft für Alteisen, Altmetalle und Rohprodukte, das offenbar keinen großen Gewinn abwarf, denn in seinem Vermögensverzeichnis vom 15. 7. 1938 führte er an Wertgegenständen nur „Goldkette, Ring, alte Golduhr, Kleinigkeiten“ und Schulden bei seinen Geschwistern von rund 20.000 Reichsmark an. Am wertvollsten war wohl das gegenständliche Grundstück, das schon seit Jahren an Rudolf Prochaskas Vater und Bruder vermietet gewesen war. Dieser nützte die Zwangslage seines Vermieters aus und drängte auf Verkauf. In dem Schreiben, das sein Anwalt Dr. Georg Budik zur Genehmigung des Kaufvertrags an die „Landeshauptmannschaft in Niederdonau“ übermittelte, gab er an, zuvor die „desolate Werkstatt“ und den „zerfallenen Zaun“ auf eigene Kosten renoviert zu haben. Selbstverständlich legte er auch eine „eidesstattliche Erklärung über meine und meiner Gattin arischer Abstammung“ bei.
Am 19. 11. 1940 bestätigte das Amtsgericht St. Pölten, Abteilung 7, die Eigentumsrechte von Prochaska und verständigte darüber nicht nur ihn und weitere involvierte Parteien, sondern auch „Anton Israel Penizek, Wien VII, Stiftgasse 15-17/III/18“. Über der Adresse wurde, vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt, handschriftlich vermerkt: „vormals“. Im Oktober 1956 wies die Rückstellungskommission beim Landesgericht Wien das Ansuchen auf Restitution von Antons Bruder, dem Kürschner, Designer und Großhändler Maximilian Penizek (1882–1962 Wien) ab. Als Begründung führte sie an, dass Maximilian, der aus seinem Fluchtort London nach Wien zurückgekehrt war, seine Erbberechtigung nicht beweisen konnte und dass außerdem die Frist für eine Rückstellung mit 30. 6. 1954 abgelaufen sei.
Anton Penizek wurde am 15. 2. 1941 in das völlig überfüllte und hygienisch katastrophale Ghetto Opole in Polen deportiert. Dessen Liquidation erfolgte im Frühjahr 1942, von den 2008 aus Wien Deportierten überlebten nur 28 die grauenhaften Lebensbedingungen. Anton war nicht darunter.
Seine Schwestern Ernestine, verh. Mahler (1870–1943) und Minna, verh. Weiss (1881–1944) wurden mit ihren Ehemännern in Auschwitz ermordet. Eine Schwester war bereits um 1900 nach Südafrika ausgewandert, den anderen vier Geschwistern gelang die Flucht in die USA und nach Australien.