Steine der Erinnerung

Hans Kerpen
Beruf (Spezialfach): Damenschneider (selbständig, Mäntel und Costüme)
Gegenwärtige wirtschaftliche Lage und monatlicher Verdienst: kein Einkommen.
Wohin wollen Sie auswandern: England – Holland – Nordamerika – Frankreich
Haben Sie einen gültigen Paß? Nein.
Diese Angaben machte Hans Kerpen auf dem Fragebogen der „Fürsorge-Zentrale der Isr. Kultusgemeinde Wien, Auswanderungsabteilung“ vom 20. Juli 1938. Hans (auch: Johann, Hanns) Kerpen, geboren am 6. Oktober 1899 in Wien als ältester Sohn der vier Kinder von Daniel Kerpen und Johanna, geb. Wallisch, war Schneider und lebte in St. Pölten, Kremsergasse 9. Vermutlich auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen fand er in Beuthen (Oberschlesien) Arbeit im elterlichen Betrieb von Erna Badrian, geboren 1903. Aufgrund ihrer Schwangerschaft, so das Familiengedächtnis, ging er mit ihr eine unglückliche Ehe ein. Am 19. November 1930 wurde ihr gemeinsamer Sohn Horst geboren. Noch vor der Scheidung im Oktober 1938 kehrte Hans Kerpen nach St. Pölten zurück und betrieb in der Steinergasse 4 einen „Handel mit getragenen Herrenkleidern“.
Wie sein Auswanderungsfragebogen nahelegt, lebte er nach dem „Anschluss“ in ärmlichen Verhältnissen und zog wohl deshalb in die Lederergasse 8 zu Vater und Schwester. Die beiden betrieben ein Geschäft für „Spezerei- und Kolonialwaren“ und versorgten außer Hans auch seinen Bruder Anton, der als Elektriker ebenfalls arbeitslos oder bereits „ausgesteuert“, also ohne Anspruch auf Sozialunterstützung war.
Anfang 1939 floh Hans Kerpen nach Frankreich, wurde verhaftet und im Durchgangslager Drancy bei Paris inhaftiert. Von dort wurde er am 11. September 1942 nach Auschwitz deportiert und zu einem unbekannten Zeitpunkt ermordet. Sein Sohn gelangte mit einem „Kindertransport“ für verfolgte jüdische Kinder in die Niederlande und überlebte. Erna Kerpen-Badrian wurde am 11. Juni 1943 in Sobibor ermordet. Hans Kerpens Brüder Anton und Otto konnten nach Erez Israel/Palästina entkommen.
Sein Vater Daniel wurde in Riga, seine Schwester Johanna in Maly Trostinec ermordet. Ihnen wurde 2018 ebenfalls in der Lederergasse 8 ein Stein der Erinnerung gesetzt.