Steine der Erinnerung

Dr. Hugo Deutsch
„Wir kommen den Doktor holen, ein arisches Mädchen gehört zu kane Juden. A so, sag i, haben Sie mir vier Jahre das Brot gegeben oder der Dr. Deutsch?“ (Anita Pemmer, ehemalige Wirtschafterin bei Dr. Hugo Deutsch, Interview mit Martha Keil, St. Pölten, 13. 4. 2004)
Schon als Anwaltskandidat engagierte sich Dr. Hugo Deutsch, geboren am 30. Juli 1880 in Bistritz (bei Holleschau, Bystrice pod Hostýnem) in der jüdischen Gemeinde und war einer der ersten Zionisten. Lange Jahre war er Stellvertreter des Kultusgemeinde-Vorstands Albert Leicht und übernahm im Frühsommer 1938 das Amt. Er blieb unverheiratet und lebte mit seiner seit 1931 verwitweten Mutter Johanna, geb. Ehrlich, bis zu deren Tod 1937 im selben Haushalt. Noch im hohen Alter erinnerte sich die Wirtschafterin Anita Pemmer an den „großen, feschen Mann, piccobello angezogen“, an seine Freundlichkeit ihr und seiner betagten Mutter gegenüber, und dass er als Sozialist am liebsten jeden Bedürftigen gratis verteidigt hätte.
Nach dem „Anschluss“ wurde Deutsch von einem St. Pöltner Nationalsozialisten namens Pfister aus der Wohnung geholt, Anita Pemmer erzählte von ihrer besorgten Suche nach ihm. Er musste die Wohnung räumen, war eine Zeitlang bei der jüdischen Familie Wulkan in der Herrengasse 1 untergebracht und teilte sich ab Jänner 1939 mit seinem Kollegen Dr. Paul Kohner eine Wohnung.
Hugo Deutsch führte die Amtsgeschäfte der Kultusgemeinde bis zu deren Auflösung und versuchte als Leiter des „Referats für Fürsorge und Auswanderung“ nach besten Kräften, den verarmten Mitgliedern zu helfen. Am 3. Mai 1940 meldete er sich nach Wien 2, Flossgasse 14 ab, am 24. September 1942 wurde er nach Theresienstadt deportiert und starb dort nur vier Monate später, am 23. Jänner 1943, an einer Lungenentzündung.
In der Opferdatenbank der Tschechischen Republik scheint ein Max Deutsch auf, in Bistritz bei Holleschau 1882 geboren und wahrscheinlich Hugos Bruder. Er wurde am 23. Juli 1942 von Prag nach Theresienstadt und schon am 4. August weiter nach Maly Trostinec deportiert und dort ermordet. Seine Frau Justina war in denselben beiden Transporten, Sohn Jindri, geb. 1914, wurde, wenn die Angabe korrekt ist, erst am 30. Juli 1942 von Prag deportiert, aber dann im selben Transport nach Maly Trostinec in den Tod geschickt. Damit war die Familie Deutsch vollständig ausgelöscht.