Steine der Erinnerung


Daniel und Josefine Kerpen
„Wir sind gerne bereit, einen kleinen Beitrag zu der von Ihnen eingeleiteten Sammlung für die 2 jüdischen Familien in Wilhelmsburg zu leisten. Wollen Sie freundlichst für unsere Rechnung K [Kronen] 400.- diesem Zwecke widmen.“
Dieses Schreiben der „Ignaz und Jacob Kuffner Actien-Gesellschaft“ erging am 7. April 1920 an Daniel Kerpen und zeigt dessen soziales Engagement als Vorstandsmitglied der St. Pöltner Kultusgemeinde. Als Sohn von Gutmann und Franziska Kerpen am 6. Oktober 1868 in Nesper bei Vlasim (heute Tschechische Republik) geboren, war Daniel Händler für Presshefe. Aus obigem Schreiben und seinen Aktienanteilen an der Kuffner-Brauerei in Wien lässt sich vermuten, dass er diese mit Hefe belieferte. Sein Geschäft vertrieb auch „Spezerei- und Kolonialwaren“. Von seinen vier Kindern arbeitete nur die einzige Tochter Josefine, geboren am 3. August 1895, im Betrieb, seit 1919 als Angestellte und ab 1937 als Leiterin, nachdem ihr Vater infolge zweier Operationen ein Auge verloren hatte und fast völlig arbeitsunfähig war. Seine Frau Johanna, geb. Wallisch, war 1925 verstorben.
Der Betrieb versorgte auch zwei von Josefines drei Brüdern, Anton, geboren 1905, als Elektriker arbeitslos und ausgesteuert, und den Damenschneider Hans, geboren 1899.
Nach dem „Anschluss“ ergriffen die Familienmitglieder unterschiedliche Fluchtwege. Anton brach bereits am 9. November 1938 nach Erez Israel/Palästina auf. Auch Otto, geb. 1902, mit einer Nichtjüdin verheiratet, gelang nach der Zwangsumsiedlung nach Wien die Auswanderung nach Palästina.
Daniel und Josefine sind ab 24. November 1938 in Wien 2, Nestroygasse 1 und danach in der Novaragasse 21 gemeldet. Der 74-jährige, beinahe blinde Daniel wurde ohne seine Tochter am 6. Februar 1942 nach Riga deportiert, sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Die nach Riga Deportierten wurden durch Erschießen oder in Gaswägen ermordet oder ab Herbst 1943 in das KZ Kaiserwald überstellt. Josefine wurde am 31. August 1942 nach Maly Trostinec, ein landwirtschaftliches Gut bei Minsk, deportiert und sofort nach der Ankunft am 4. September durch Erschießen oder im Gaswagen ermordet. Sie ist eine der rund 13.000 aus Wien deportierten und dort ermordeten Juden und Jüdinnen. Damit ist Maly Trostinec der Vernichtungsort mit den meisten österreichischen Opfern der Shoah.
Aus: Steine der Erinnerung in St. Pölten I/2018, S.47-48, Hg.: Institut für jüdische Geschichte Österreichs, zu bestellen unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! um 8 € zzgl. Porto
Bilder: Foto von Bernadette Dewald