Steine der Erinnerung

Rosa Bondy und ihre Schwestern Margarita und Marcella
„Rosa Sara Bondy, ohne Beruf, am 22. VI 1880 geboren, wurde aus II., Novaragasse 32/I/III/30 am 6. V. 1942 nach Minsk abgemeldet.“ (Polizeipräsident, Abteilung II, Wien, an die Stadt St. Pölten, 20. 5. 1942)
Ein identes Auskunftsschreiben existiert auch zu „Margarete Sara Bondy, Bankpensionistin“. Rosa Bondy, das älteste der sechs Kinder von Carl und Johanna Bondy, wurde am 22. Juni 1880 in St. Pölten geboren. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie durch „Handel mit Fellen, Häuten, Rauhwaren, Wildwaren und landwirtschaftlichen Produkten“ und durch die Verpachtung eines Gartens an die Obst- und Gemüsehändlerin Franziska Weissenböck, den sie ihr im Februar 1942 unter Zwang verkaufen musste.
Auch Rosas Schwester Margarita (in einigen Dokumenten auch „Margarete“), geboren am 1. August 1890, sorgte für sich selbst, ihr Beruf wird mit „Bankpensionistin“ oder auch mit „Beamtin“ angegeben. Vermutlich arbeitete sie in der Länderbank, denn in einem undatierten Dokument mit dem vorgedruckten Formular „Vermögensverzeichnis nachstehender in die Ostgebiete evakuierter Juden“ ist eine Pension von der „Länderbank Am Hof“ in der Höhe von 148 Reichsmark eingetragen. Rosas Vermögensverzeichnis hatte Margarita unterschrieben, es deklarierte die bescheidene Summe von 10 Reichsmark. Beide Dokumente wurden wahrscheinlich in der Sammelwohnung in Wien, vielleicht sogar kurz vor der Deportation, unterzeichnet.
Marcella, am 21. April 1901 geboren, war 21 Jahre jünger als ihre älteste Schwester Rosa. Ihre Mutter Johanna hatte also ihr sechstes Kind mit 43 Jahren zur Welt gebracht, für damals ein ungewöhnlich hohes Gebäralter. Marcella führte nicht nur ein Geschäft für Textilien, sie wird in den Dokumenten auch als „Kunstgewerblerin“ bezeichnet. 1935 erhielt sie einen Gewerbeschein für „Erzeugung von kunstgewerblichen Handarbeiten, Häkel- und Strickwaren, Stickereien und Wäschewaren“. Alle drei Schwestern blieben unverheiratet und kinderlos.
Im Oktober 1938 wurde Rosa und zwei Monate später auch Marcella der Gewerbeschein entzogen. Zugleich mit ihren Brüdern Franz Alois und Friedrich Wilhelm übersiedelten die drei Frauen am 30. Juni 1939 nach Wien 8, Laudongasse 12, und weiter in die Sammelwohnung in Wien 2, Novaragasse 32/I/III/30. Gemeinsam wurden sie am 6. Mai 1942 nach Maly Trostinec deportiert und gleich nach ihrer Ankunft am 11. Mai durch Erschießen oder in einem Gaswagen ermordet. Für Franz Alois und Friedrich Wilhelm wird in der Rennbahnstraße 24 ein Stein der Erinnerung gesetzt. Rudolf Bondy, der älteste Bruder, war aufgrund seiner „geschützten Mischehe“ der einzige Überlebende der Familie.