Steine der Erinnerung

Sabina Allina
„Durch die Genehmigung des Gauleiters konnte Frau Kleestorfer mit Zustim mung der Kreisleitung St. Pölten das Haus der Jüdin Alina (sic!) in der Kremser gasse 5 erwerben. Dortselbst wohnt Frau Niterl mit ihrem Mann und 4 Kindern in einem kleinen Raum, der baufällig ist und unbedingt abgetragen werden soll.“ (Schreiben der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, Kreislei tung St. Pölten, an das Wohnungsamt der Stadtgemeinde St. Pölten, 21. Mai 1940)
Mit Ausnahme des Geburtseintrags, der Transportliste, der GhettoKarte und der Todesfallanzeige aus Theresienstadt ist diese Mitteilung der „Arisierung“ ihres bescheidenen Hauses die einzige Erwähnung aus den achtzig Lebensjah ren von Sabina Allina. Sie wurde am 13. Juli 1863 als Tochter von Jakob Salo mon Allina (auch: Alina) und Marie (auch: Margarethe), geb. Zimmer, in St. Pölten geboren. Die Familie scheint teils in St. Pölten und teils in Tucap (Tučapy, Tschechien) gelebt zu haben, denn die Kinder sind in den dortigen Matriken verzeichnet. Beide Elternteile sind aber am alten jüdischen Friedhof in St. Pölten beerdigt. Wovon Sabina Allina ihren Lebensunterhalt bestritt, ist nicht bekannt; dass er ärmlich war, ist aus der Beschreibung ihres Hauses zu schließen.
Am 27. April 1940 musste sie nach Wien übersiedeln und fand im Altersheim der Israelitischen Kultusgemeinde Wien 9, Seegasse 9, Aufnahme. Von dort wurde sie am 13. August 1942 nach Theresienstadt deportiert. Den vor allem für alte Leute unerträglichen Lebensumständen erlag sie am 27. Jänner 1943.
Die Todesfallanzeige gibt als Todesursache „Phlegmone“ und „Zellengewebs entzündung“ an, eine schmerzhafte, lebensgefährliche Infektion, die durch einen allgemeinen Schwächezustand begünstigt wird und sichtlich medizinisch gar nicht oder nur ungenügend behandelt wurde.
Ihr Bruder Simon (auch: Samuel) Allina war Kaufmann in der Herrengasse 6, zog aber mit seiner Familie nach Wien, wo er 1918 starb. Seine beiden Töchter, Adele, verheiratete Günsburg, und Pauline, verheiratete Taussig, wurden am 12. Mai 1941 nach Izbica deportiert und dort ermordet. Sabina Allina hatte noch drei weitere Geschwister: Ludwig starb 1876 mit 22 Jahren und liegt am alten jüdischen Friedhof in St. Pölten begraben. Zum Schicksal ihrer Schwester Josefa, 1857 geboren, und ihres Bruders Moritz, 1859 geboren, sind derzeit keine Informationen bekannt.