Steine der Erinnerung


Sigmund und Berta Stern
„2 Silber Zigar. Dose 70.- RM (Reichsmark), 12 Silber Kaffeelöffel 25.- RM, 6 Silber Esslöffel 25.- RM, 12 Silber Gabel und Messer 20.- RM, 1 gold. Uhr 80.- RM, 1 gold. Kette 20.- RM, 2 gold. Ringe 25.- RM“
Diese bescheidenen Wertgegenstände gab Sigmund Stern am 14. Juli 1938 in seinem von den nationalsozialistischen Machthabern geforderten „Verzeichnis über das Vermögen der Juden“ unter Punkt „g) Gegenstände aus edlem Metall, Schmuck- und Luxusgegenstände, Kunstgegenstände und Sammlungen“ an. Weiteres Vermögen – aufgelistete Kategorien waren Grund oder Boden, Mieteinnahmen, Aktien, Betrieb oder Gewerbe – besaß er nicht. In die Rubrik „Beruf oder Gewerbe“ schrieb der am 27. Juni 1872 in Mährisch Ostrau geborene Sigmund „alt, Rentner“. Vor seiner Pensionierung war er im Kaufhaus A. Gerngross A. G. in Wien tätig gewesen, wo er mit seiner Familie auch lebte. Nach seiner Pensionierung zog er mit seiner elf Jahre jüngeren Frau Berta (geb. am 28. Juli 1883) in deren Heimatstadt St. Pölten, in die Josefstraße 67.
Berta Stern war die Tochter des Schuhhändlers Julius Kohn und dessen Frau Sophie und das einzige Kind der beiden, dem nicht rechtzeitig die Flucht aus Österreich gelang. Ihre drei Brüder konnten sich nach Erez Israel/Palästina bzw. Großbritannien retten. Laut Meldeamt wurden das Ehepaar und ihr 1926 noch in Wien geborener Sohn Alfred am 3. Oktober 1939 nach Wien 2, Schiffamtsgasse 7/9 abgemeldet. Alfred konnte am 12. November 1939 mit einer zionistischen Jugendorganisation über Triest nach Erez Israel/Palästina entkommen, dort änderte er später seinen Namen in David Sharon.
Sigmund und Berta Stern wurden am 15. Februar 1941 nach Opole deportiert. Unter den tausend Menschen auf diesem Transport befanden sich auch Bertas weitschichtige Verwandte Rudolf Kohn und seine Frau Emma, der Synagogen- diener Benedikt Süss und seine Frau Aurelia Aranka, geb. Weiss, sowie Wilhelm Weiss und seine Frau Franziska; Aurelia und Wilhelm waren sicher keine Geschwister, ob sie verwandt waren, ist nicht bekannt. Opole war ein überfülltes Ghetto, dessen Insassen unter dem Mangel an sauberem Wasser, Nahrungsmitteln und Medikamenten litten. Im Frühjahr 1942 begannen die Liquidationen, im März und Oktober folgten die Deportationen in das Vernichtungslager Sobibor. Laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes überlebten nur 28 der 2.300 von Wien aus nach Opole deportierten Juden und Jüdinnen. Die genauen Todesdaten der kleinen Gruppe aus St. Pölten sind nicht bekannt.
Aus: Steine der Erinnerung in St. Pölten I/2018, S.25-29, Hg.: Institut für jüdische Geschichte Österreichs, zu bestellen unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! um 8 € zzgl. Porto
Bilder: Foto von Bernadette Dewald, Familienporträt ca. 1930 aus dem Bildarchiv des INJOEST, Notiz von David Sharon, geb. Alfred Stern