Steine der Erinnerung
Wilhelm Back und seine Frau Else, geb. Greger
„Der Besitz wurde von meinem Bruder nie verkauft und deshalb ist mein Bruder/oder sein Erbe/der rechtmaessige Eigentümer.“ (Dr. Jindřich Back an das Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, London, 7. 10. 1946)
Der Arzt Dr. Jindřich Back, später Henry, war der jüngere Bruder des Bauingenieurs Dr. Wilhelm Back, geb. am 22. 1. 1885 in Jessenitz (Böhmen) als Sohn von Ignaz und Mathilde, geb. Pollak. Wilhelms Frau Else, Tochter von Moritz und Julie Greger, geb. Heimer, wurde am 17. 9. 1898 in Wieselburg/Erlauf geboren. Die beiden heirateten am 12. 8. 1924 in der St. Pöltner Synagoge, die Trauung führte Rabbiner Adolf Schächter durch. Trauzeugen waren Jindřich Back und Adolf Geiduschek aus St. Pölten, der mit Wilhelms Halbschwester Olga verheiratet war. Aus den drei Ehen von Wilhelms Vater Ignaz entstammten insgesamt elf Kinder.
Backs Bedeutung für das niederösterreichische Bauwesen ist heute völlig vergessen. In welchem Fach und wann er promoviert hatte, ist nicht bekannt, doch wurde er Anfang Juni 1913 zum Ingenieur ernannt, schon damals gemeinsam mit seinem späteren Kollegen Hans Frey. 1921 ist ein Ing. Wilhelm Back als Geschäftsführer der Wiener „Mindag“ Maschinen-Betriebs-Gesellschaft eingetragen. Am 17. 2. 1927 berichtete der St. Pöltner Bote, dass der Bundesminister für Handel und Verkehr „die bei der Bezirkshauptmannschaft (Baubezirksleitung) in Verwendung stehenden Ingenieure Wilhelm Back und Johann Frey zu Regierungsbauräten ernannt hat“. Im April 1928 wurde der von Back erfundene „Bei Hochwasser selbsttätig freilegbare Wehraufsatz“ als Patent zu- gelassen. Zum Regierungsoberbaurat wurden die beiden Kollegen ebenfalls gleichzeitig ernannt, wie der St. Pöltner Bote am 6. 3. 1930 berichtete. Im August desselben Jahres veröffentlichte Back als „Dampfkesselprüfungsober- kommissär in St. Pölten“ ein Gutachten zu einer „Lokomobile“, die in Krahof bei Blindenmarkt angeblich durch Funkenflug einen Großbrand verursacht hatte (St. Pöltner Bote, 7. 8. 1930). Noch drei Wochen vor dem „Anschluss“ wurde er vom Landeshauptmann von Niederösterreich zum Baubezirksleiter bestellt, wie die Zeitung am 17. 2. 1938 als „Personalnachricht“ erwähnte. In der Bezirksbau- leitung war er für die Aufsicht des Baudienstes in St. Pölten, Melk, Lilienfeld und Amstetten zuständig.
Am 13. 7. 1938 teilte die Mercurbank in Wien Wilhelm Back mit, dass der aktuelle Wert seiner Aktien derzeit nicht zu schätzen sei. Zwei Tage später mussten sowohl er als auch seine Frau das „Verzeichnis über das Vermögen von Juden“ ausfüllen. Else Back gibt darin als Beruf „Regierungsoberbaurats-Gattin“ an. Ihr gehörte die Hälfte des „Mietwohnungsgrundstücks“ in der Maria Theresia- Straße 13 im Wert von 22.000 Reichsmark und Aktien bei der Mercurbank in Wien in der Höhe von 9.050 RM. Die Güte ihrer bürgerlichen, aber keineswegs luxuriösen Wohnungsausstattung kann man sich anhand des Postens „9 Teppiche (1700 RM)“ und „Silberzeug (100 RM)“ vorstellen. Des Weiteren listete Else zwei Broschen, eine Armbanduhr und sieben Ringe im Wert von insgesamt 900 RM auf – keine Schätze, aber sicher von hohem persönlichem Wert. Else Back zeigte am 14. 12. 1938 noch eine Veränderung in ihrem Vermögen an und verzeichnete eine Summe von 17.281 Reichsmark.
Das Ehepaar meldete sich bereits am 3. 12. 1938 nach Wien 4, Argentinierstraße 63 ab, übersiedelte von dort nach Wien 9, Währingerstraße 2/25, ein weiteres Mal in die nahe Hörlgasse 13/8 und Else schließlich alleine in eine Sammelwoh- nung in Wien 2, Schmelzgasse 9/13. Wilhelm blieben die Grauen der Deportation erspart, er starb am 20. 11. 1941 im Rothschild-Spital in Wien-Währing, das als einziges Krankenhaus noch jüdische Patienten behandeln durfte. Seine letzte Ruhestätte fand er in der jüdischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs, Tor IV. Else wurde am 17. 7. 1942 nach Auschwitz deportiert und wahrscheinlich sofort in die Gaskammer geschickt.
Das Haus der Backs in der Maria Theresia-Straße 13 wurde beschlagnahmt und vom NS-Kreisleiter bezogen. Auf die Liegenschaft musste der „Ariseur“ ein Pfandrecht in der Höhe der noch zu leistenden „Judenvermögensabgabe“ in der Höhe von 1.620,50 RM und weitere Abgaben von fast 700 RM – für Elses Grundstücksteil um 200 RM mehr – gewähren. Am 7. 2. 1944 ging die Liegenschaft in den Besitz der Reichsfinanzverwaltung über. Im Oktober 1946 erhob Jindřich, dem die Flucht nach London gelungen war, Anspruch auf das Erbe – ob er es erhalten hat, ist nicht bekannt.
Als seltener Glücksfall in einer Familie hatten sich mit Ausnahme von Wilhelm alle neun 1938 noch lebenden (Halb-)Geschwister Back retten können. Wie Else war auch Jindřichs Frau Ruzena Rosalie in der Shoah ermordet worden, ebenso Elses Mutter, ihre vier Geschwister und weitere nahe Verwandte.