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Olga
Berdach
Reiner
17.02.1865
Wien
15.11.1942
Theresienstadt
Haushalt
Kremsergasse 26, St. Pölten
Schießstattgasse 38, St. Pölten
29. Juni 1938 Umsiedlung nach Neutorgasse 15/7, Wien 1; am 14. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert
Michael
Agnes
Hirsch
Julius
Irmgard
Michaela
Hans Julius


Steine der Erinnerung

berdachstein

Julius und Olga Berdach

„Danksagung. Wir fühlen uns auf diesem Wege verpflichtet, Herrn Dr. Julius Berdach für die langandauernde, aufopferungsvolle und unermüdliche Be­handlung bei den schweren, komplizierten Krankheiten unserer Tochter Herma [...] unseren aufrichtigsten und herzlichsten Dank auszusprechen. Können daher Herrn Dr. Berdach jedermann wärmstens anempfehlen.“ Familie Gruber, Passauer Straße Nr. 69 (Anzeige in St. Pöltner Zeitung Nr. 51, 19. Dezember 1929, S. 22)

Der überaus beliebte Arzt Dr. med. Julius Berdach kam am 11. November 1864 in Tyrnau (damals Ungarn, heute Trnava in der Slowakei) als Sohn von Adam Zadik und Julie (Jittel), geborene Szidon, zur Welt. Er hatte dreizehn Geschwis­ter, die über die ganze Monarchie verstreut lebten. Am 23. Dezember 1891 promovierte er in Wien und trat unmittelbar danach als Arzt in die Armee ein. Kurz darauf heiratete er Olga Reiner, die am 17. Februar 1865 in Wien geborene Tochter von Dr. Michael Reiner und Agnes, geb. Hirsch. Ihre Tochter Michaela, vermutlich nach dem früh verstorbenen mütterlichen Großvater benannt, wurde am 17. Jänner 1893 in Wien geboren. Entsprechend den beruflichen Stationen des Vaters wechselte die Familie oft den Wohnsitz.

Spätestens 1901 arbeitete Julius im untersteirischen Trifail (heute Trbovlje, Slowenien) in einem Krankenhaus der „Bundeslade“, einer selbstorganisierten Sozialversicherung der Bergarbeiter. Er veröffentlichte zahlreiche Artikel, vor allem zu seinem Spezialgebiet, der epidemischen Genickstarre (Meningismus), die insbesondere bei Kleinkindern und jungen Männern tödlich verlief, „welche unter ungünstigen Verhältnissen ihr Leben fristeten“ (Berdach in der Marburger Zeitung Nr. 47, 18. April 1905, S. 4). In Trifail kam am 26. April 1900 auch Sohn Hans Julius, genannt „Hanserl“ zur Welt, er starb zum großen Schmerz seiner Eltern im 7. Lebensjahr an Lungenentzündung und wurde gemeinsam mit seiner Großmutter Agnes Reiner am jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs, 4. Tor, begraben. Olga Berdach verlor also innerhalb von zwei Tagen, am 19. und am 21. Juli 1906, ihren Sohn und ihre Mutter.

Im November 1915 erhielt Berdach eine „Auszeichnung um Verdienste in der militärischen Sanitätspflege“ für die Leitung des Militärspitals in Stockerau und die unentgeltliche Ausbildung von 65 Krankenschwestern für den Lazarett­ dienst an der Front. Ab Juli 1916 wurde er ins Kriegsspital St. Pölten versetzt und ließ sich nach Kriegsende schließlich in der Kremser Gasse 26 als Kassen­arzt nieder. Bald richtete er in der Julius­Raab­Promenade/Schießstattprome­nade 38 Wohnung und Ordination sowie eine Radium­-Heilanstalt ein, deren Wirksamkeit gegen Arterienverkalkung und Rheumatismus er regelmäßig in der St. Pöltner Zeitung inserierte. Als prominenter Arzt war er auch mit Arthur Schnitzler bekannt und wird 1912 in dessen Tagebuch erwähnt. 1933 erhielt er den Titel Medizinalrat; im Begründungsschreiben der St. Pöltner Kreiskranken­ kasse vom 24. Oktober 1933 wurde sein Einsatz in den Epidemien der Genick­ starre und des Typhus in Trifail und seine durch 15 Jahre unbezahlte Tätigkeit als Schularzt hervorgehoben. Besonders gelobt werden seine engagierte und immer höfliche Behandlung der Kassenpatienten und die Bereitschaft zu Not­ einsätzen „zu jeder Tages­ wie Nachtzeit, trotz seinem vorgerückten Alter“.

Für die Arbeiterkammer hielt Berdach zahlreiche Vorträge über seine ärztliche Laufbahn. Im Dezember 1933 und vermutlich auch in weiteren Jahren nahm er im Rahmen der „Winterhilfe“ von Bund und Stadt ein Kind für ein tägliches Mit­tagessen auf. Die Familie war also wohltätig, aber nicht religiös: Olga trat am Jahresanfang 1932 aus dem Judentum aus, Michaela 1934, Julius bezeichnete sich 1938 als „konfessionslos“, doch sie konvertierten nicht. Nur Enklin Agnes Daisy scheint in den Unterlagen als „römisch­-katholisch“ auf.

Noch im Juni 1936 hatten nichtjüdische Patienten Dr. Berdach in öffentlichen Anzeigen ihren „aufrichtigsten Dank“ für seine ausgezeichnete Behandlung ausgesprochen. Zwei Jahre später, am 11. Juli 1938, musste er, bereits nach Wien zwangsübersiedelt, das „Verzeichnis über das Vermögen von Juden“ aus­ füllen. Neben 8.400 Reichsmark Bargeld und einigen Anleihen gab er an Wert­ gegenständen an: „Nicht mehr completes silbernes Essbesteck für 12 Personen, seit 40 Jahren in Gebrauch“ (Vermögensverzeichnis Nr. 8903, NÖLA, S. 3). Julius und Olga Berdach hatten sich mit ihrer Tochter und ihrer achtzehnjäh­rigen Enkelin bereits am 29. Juni 1938 aus St. Pölten abgemeldet und waren nach Wien 1, Neutorgasse 15/7 gezogen. Zu diesem Zeitpunkt stand die Woh­nung noch im Eigentum der Familie, denn Julius gab in seiner Vermögens­ erklärung Ausgaben für Miete, Strom und Telefon an. Am 14. Juli 1942 wurde das Ehepaar nach Theresienstadt deportiert.

Die 78­jährige Olga erlag den schweren Lebensbedingungen bereits am 15. November 1942, die Todesursache wurde mit „Herzfehler“ angegeben. Julius folgte ihr am 16. März 1943.

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